Hinter allem Sichtbaren - Zeichnen heißt ein Zeichen finden

"Wer zeichnet, schielt nicht nach außen, das heißt: Verzicht auf jeglichen identifizierbaren Gegenstand. Der Künstler, der seine Ideen auf einer Fläche darstellt, sucht nach Formen und Vokabeln, die ihm als Fundament und zur Stütze seiner künstlerischen Arbeit dienen könnten.

Zu dieser Formensuche benutzt er vorrangig die vielfältigen Möglichkeiten des Zeichnens. Er zeichnet aber nicht im Sinne des „Abzeichnens“, sondern er versucht sich in der Art des „erfinderischen“ Zeichnens. Er begibt sich hinein in ein Experiment mit unsicherem Ausgang, in eine Koketterie mit dem Zufall. Er sucht nach einem festen Halt inmitten einer noch nebelhaften Vision. Er wagt ein Spiel mit geraden und gekrümmten Linien. Zahlreiche Einfälle, aber auch Zufälle schreibt er nieder, um letztlich aus der Fülle sein Wunschbild zu formen.

Es ist daher kein Wunder, dass derartige Arbeiten keine Zeichnungen im klassischen Sinn darstellen, wie wir sie vom Portrait oder von der Landschaft her kennen. Es sind zu allermeist Zeichnungen mit vielen Korrekturen und Umgestaltungen. Ganz verschiedene Materialien werden eingesetzt, vornehmlich jedoch Kohle, Tusche, Pastell, Bleistift und Feder. Aber auch Farbstift, und selbst das Aquarell müssen von ihren Höhen herabsteigen und sich der suchenden Hand fügen.

Es scheint eine Zeit gekommen, in der es sich lohnt zu memorieren, was Flächigkeit und Raumillusion jeweils bedeuten, und zu diskutieren, welche Bedeutung ihre Gleichzeitigkeit notwendig mit sich führt.


Wer das Bewirken von Raum durch die Motorik der Linie für eine Erfindung des 20. Jahrhunderts hält, hat nie eine Dürerzeichnung, hat nie eine chinesische Malerei gesehen.
Die Dimension der Zeit war dem Raum immer integriert, Raumkonzeption war stets Zeitkonzeption, Kunst kann Zeit nur durch Raum und Raum nur als Zeit ausdrücken.

Der Illusionsraum fixiert die Form und macht dafür Zeit als Bewegung von Gegenständen und Durchmessbarkeit von Distanzen erfahrbar, Flächigkeit befreit bis zu einem gewissen Grade die Linie, die als Spur des sich bewegenden Punkts, die eigentlich motorische Form ist, auf die sich alle optische Dynamik letztlich zurückführen lässt.

Maßgebend ist dabei die Beherrschung des Augenblicks. Das Ereignis, ein dynamischer Prozess in dem die Geste stark betont wird, rückt in seinen Mittelpunkt. Neben dem abstrakten, dem ästhetischen, sollten die teils heftige, teils sehr disziplinierte, aber auch wieder zarte Spursetzung sichtbar werden.
Durch die Spontaneität der Arbeitsweise entstehen immer neue spielerisch und lyrisch gestaltete Variationen.

Diese Zeichnungen sollten dem Kunstfreund, dem Kenner, oder dem Künstler einen Weg oder auch einen Stolperpfad hin zu einem späteren Bild oder zu einer später entstandenen Bilderreihe, oder gar im allerschönsten Falle, zu einer Schaffensperiode eröffnen.

Gerne würde ich behaupten:
Ich habe (im Chaos der Linien) ein Zeichen gefunden.“

nach oben